Weniger Arbeitskräfte = mehr Armut ?
Ein kleiner Crashkurs in Wirtschaft.
Der IWF warnt vor Stagnation der
Wirtschaft bei alternden Bevölkerungen. Die Industriellenvereinigung
sieht in Österreich eine Lücke von 500.000 Arbeitskräften, in
Deutschland sollens 5 Millionen sein. Die Wirtschaftskammer meldet
Umsatzeinbussen wegen fehlender Fachkräfte. Vom drohenden
Pflegenotstand und der kommenden Pensionskrise ganz zu schweigen.
Was ist da los ? Werden wir alle arm
und unversorgt sterben ?
Natürlich nicht.
Aber der Reihe nach. Die Krise soll
drohen weil die Babyboomer in Pension gehen und zuwenige Menschen
nachkommen. Liebe Fachleute, es ist gut dass weniger Menschen
nachkommen, noch eine Babyboomergeneration hätte der Planet
wahrscheinlich nicht vertragen. Dass beim Wandel hin zu einer
nachhaltigen Bevölkerungsstruktur (ausgewogenes Verhältnis aller
Altersgruppen) ein Alterungsprozess eintritt ist unvermeidbar. Ebenso
unvermeidbar wie die Abkehr von einer stetig wachsenden Bevölkerung
(mehr Junge als Alte).
Aber unseren Wohlstand gefährdet das
natürlich nicht. Wenn die Wirtschaft, also das BIP, der Wert aller
hergestellten Waren und Dienstleistungen STAGNIERT (also nicht mehr
wächst) und die Bevölkerung schrumpft bleibt pro Kopf sogar mehr
übrig.
Kurz zum Zusammenhang von Bevölkerung
und Wirtschaft/Wohlstand.
Eine steigende Bevölkerung bei noch
stärker steigender Wirtschaft bedeutet mehr Wohlstand für den
Einzelnen, ist aber für unseren Planeten problematisch. Eine stark
steigende Bevölkerung bei weniger stark anwachsender Wirtschaft
bedeutet weniger Wohlstand pro Kopf beziehnungsweise keinen Aufstieg
aus der Armut. Das ist das Problem vieler unter anderem afrikanischer
Staaten. Die Wirtschaft dort wächst, aber das rasante
Bevölkerungswachstum sorgt dafür dass pro Kopf nicht mehr
übrigbleibt, die Menschen sind weiterhin arm und arbeitslos.
Eine sinkende Bevölkerung bei
gleichbleibender Wirtschaftsleistung führt zu mehr Wohlstand pro
Individuum. Und eine gleichbleibende Bevölkerung bei steigender
Wirtschaftsleistung führt zu mehr Wohlstand pro Kopf bzw dem
Aufstieg aus der Armut. Das war der chinesische Weg. Mit der
Ein-Kind-Politik wurden nicht nur der Planet und unsere Innenstädte
gerettet (bedenken Sie: 5 Milliarden chinesische Touristen) sondern
auch einer der Grundsteine für den Aufstieg Chinas aus der Armut
gelegt.
Aber die Firmen ? Die Aufträge ? Der
Umsatz ?
Kein Arbeiter bei Volkswagen wird
weniger verdienen wenn Volkswagen wegen des Wegfalls der Babyboomer
(der sinkenden Bevölkerung) nicht noch mehr Autos produzieren kann
bzw verkauft. Weil es weniger Arbeiter bei Volkswagen geben wird,
weil die Babyboomer nicht alle ersetzt werden können. Ja, es werden
nicht noch mehr Produkte produziert und verkauft werden. Aber auch
die Zahl der Arbeiter wird gesunken sein, die Firmen haben weniger
Angestellte und weniger Kosten. Und der einzelne Angestellte bekommt
weiter sein Gehalt.
Wirklich verlieren werden nur grosse
Konzerne die auf immer steigenden Absatz und immer steigende Gewinne
hoffen. Apple würde wahrscheinlich gerne Eierphones an 20 Milliarden
Menschen verkaufen. Dem Billiglohnsklaven in Asien, der die Dinger
zusammenpickt, würde das zwar kein besseres Leben verschaffen. Aber
der Gewinn der Aktionäre und Tim Cooks Boni würden ins
Unermessliche steigen. Leider. Wirds nicht spielen.
Und die Pension ? Die Pflege ?
Unser Pensionssystem muss endlich
umgestellt werden, weg von einer Finanzierung aus Abgaben nur auf
menschliche Arbeit, hin zu einer breiten Finanzierungsbasis auf alle
Arten von Einkommen und auch maschinelle Arbeit. Wenn auch der
Firmengewinn zum Pensionssystem beiträgt kann nicht nur die
Abgabenlast auf Löhne & Gehälter halbiert werden (mehr netto
vom brutto), sondern die Pensionen sind auch bei steigender
Automatisierung gesichert. Wenn Volkswagen nur noch einen
Angestellten hat weil die Produktion von Robotern übernommen wurde,
ist das Pensionssystem gefährdet wenn nur der Angestellte ins System
einzahlt (die Lohnnebenkosten möchte ich mir dann nicht vorstellen
müssen). Wenn der durch die Roboter erwirtschaftete
Milliardengewinn von VW ebenso seinen Beitrag zur Finanzierung des
Pensionssystems leistet, ist nicht nur der Lohn des Arbeiters
enlastet, auch das Pensionssystem ist auf ewig gesichert.
Eine Senkung der Lohnnebenkosten würde
dann auch die Attraktivität des Pflegeberufs steigern weil die
Nettolöhne steigen. Meine Vermutung wäre ja, es gehen so wenig
Menschen in Sozialberufe weil sie so schlecht bezahlt sind. Bildet
die Menschen fundiert aus, wertet die Ausbildungen auf, BEZAHLT sie
besser, dann klappts auch mit der Pflege.
Wie überhaupt der geringe Lohn ein
Hauptgrund für viele “Mangelberufe” sein dürfte. Besteuert die
Finanzeinkommen, belegt die Firmengewinne mit Sozialabgaben. Halbiert
dafür die Steuern und Abgaben auf Löhne und Gehälter. Dann wird´s
auch wieder mehr Tischlerlehrlinge geben.
Es wird dann eher die Frage sein, wie
lange unsere Berufe angesichts der Digitalisierung noch gefragt sein
werden, aber solange auch Genosse Roboter Steuern zahlen muss,
fürchte ich mich nicht.
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