Ist Landesverrat ein Grund zur Aufregung?
Am dritten März nahm ich einen tweet des Professors für Internationale Beziehungen der Uni Innsbruck, Univ.Prof.Dr. Gerhard Mangott, zum Anlass, eine Anfrage an den österreichischen Verfassungsgerichtshof zu senden, ob unsere Regierung den Tatbestand des Landesverrates erfüllt. Denn laut Mangott werden mit dem Budget der Europäischen Friedensfazilität (EFF), in deren Kommission jeder Mitgliedsstaat der EU vertreten ist und die durch die Mitgliedsstaaten finanziert wird, Waffenlieferungen an die Ukraine bezahlt. Nachzulesen bei der EFF. Und problematisch, da Österreich per Verfassung zu immerwährender Neutralität verpflichtet ist.
https://chrisveber.blogspot.com/2023/03/begeht-die-osterreichische.html
Darauf habe ich einige Rückmeldungen erhalten, die meine Anfrage bzw. den Verdacht des Landesverrates unter anderem als „absurd“ bezeichnet haben, weil ja nichts Geheimes verraten wurde.
Oder dass wir seit dem Beitritt zur EU ja nicht mehr wirklich neutral sind, weil wir im Rahmen der Gemeinsamen Aussen und Sicherheitspolitik (GASP) mit den EU Staaten zusammenarbeiten.
Zum Vorwurf der Absurdität möchte in anmerken, dass Landesverrat in §252 StGB, Art3. unter anderem definiert ist als der Versuch, die Neutralität aufzuheben.
Verfassungsgefährdende Tatsachen sind solche, die Bestrebungen offenbaren, in verfassungswidriger Weise den demokratischen, bundesstaatlichen oder rechtsstaatlichen Aufbau der Republik Österreich zu beseitigen, deren dauernde Neutralität aufzuheben oder ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht abzuschaffen oder einzuschränken oder wiederholt gegen ein solches Recht zu verstoßen.
https://www.rechteasy.at/wiki/landesverrat/
Ein Amtsträger muss nicht Geheimes verraten, allein der Versuch, die Neutralität aufzuheben, erfüllt schon den Tatbestand des Landesverrates. Ob die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte mit der Neutralität zu vereinbaren ist, wage ich zu bezweifeln.
Was die GASP angeht, hier könnte Österreich mit Verweis auf seine Neutralität gegen Beschlüsse zur Unterstützung der Streitkräfte einer Konfliktpartei stimmen. Da Beschlüsse einstimmig erfolgen, wäre damit der EU die Möglichkeit verwehrt, auf Seiten der Armee einer Konfliktpartei unterstützend einzugreifen. Die Einzelstaaten könnten weiterhin handeln, wie sie es für richtig halten. Auch existiert die Möglichkeit einer konstruktiven Enthaltung. Österreich müsste also nicht für die Unterstützung des ukrainischen Militärs stimmen. Es könnte darauf drängen, dass es sich nicht an den beschlossenen Maßnahmen beteiligen muss und sich dafür der Stimme enthalten. Damit wäre meines Erachtens nach das Einhalten der Neutralität gewährleistet.
Was Österreich hingegen den mir bisher vorliegenden Informationen zufolge getan hat, war der Versuch, die Ukraine militärisch zu unterstützen ohne dabei neutralitätstechnisch nass zu werden.
Zur Erinnerung, die Ukraine ist nicht Teil der EU. Die EU wurde nicht angegriffen. Die EU greift im Konflikt Ukraine-Russland auf Seiten der Ukraine ein. Dies unter dem Label „GASP“ zu tun, erscheint mir schon relativ gewagt.
Aber der Reihe nach.
Am 28. Februar 2022 hat der Europäische Rat beschlossen (BESCHLUSS GASP 2022/339), im Rahmen der EFF die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen. Die ukrainischen Streitkräfte, nicht die Bevölkerung oder humanitäre Hilfsorganisationen. Der Vertreter Österreichs im Europäischen Rat ist Bundeskanzler Karl Nehammer. Im gleichen Beschluss verpflichtet sich Österreich zur Lieferung von Ausrüstung und Material, die nicht für die Anwendung tödlicher Gewalt konzipiert ist. Diese Definition erfüllen zum Beispiel Treibstoffe, Verpflegung, Transporthubschrauber, LKW, Werkzeuge, Ersatzteile und Bergepanzer. Alles nicht für die Anwendung tödlicher Gewalt konzipiert aber unerlässlich zur Anwendung tödlicher Gewalt.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32022D0339
Auch am 28. Februar hat der Europäische Rat beschlossen (Beschluss GASP 2022/338), im Rahmen der EFF die ukrainische Armee durch die Bereitstellung militärischer Ausrüstung und Plattformen, die dazu konzipiert sind, tödliche Gewalt anzuwenden, zu unterstützen. Hier beteiligt sich Österreich allerdings nicht an der Bereitstellung.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32022D0338
Fassen wir also zusammen. Der europäische Rat hat zumindest mit der Billigung, mit großer Wahrscheinlichkeit der Zustimmung, Karl Nehammers oder seines Stellvertreters beschlossen, die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen. Österreich beteiligt sich an der Lieferung aller Ausrüstungsbestandteile, die nicht selbst schießen, die aber für den tödlichen Teil der Streitkräfte ebenso unersetzlich sind.
Der Europäische Rat hat zusätzlich mit der Billigung, wenn nicht der Zustimmung, Karl Nehammers oder seines Stellvertreters beschlossen, die ukrainischen Streitkräfte mit tödlicher Ausrüstung zu versorgen. Hier beteiligt sich Österreich nicht an der Bereitstellung, steht dem Beschluss aber nicht im Weg.
Weiters erlaubt
Österreich den Transport militärischer Ausrüstung zur
Unterstützung der ukrainischen Armee über sein Gebiet. Im Gegensatz zur ebenfalls neutralen Schweiz, die dies untersagt.
Österreich liefert also den Diesel zum Betanken des Panzers und die Verpflegung für die Mannschaft, auch das Werkzeug zur Instandhaltung, aber nicht den Kampfpanzer selbst.
Das erinnert ein wenig an das Verhalten eines Diebes, der sich nach seinem Einbruchsversuch vor Gericht damit zu rechtfertigen versucht, er habe ja nur das Werkzeug beschafft und sei Schmiere gestanden. Mit dem Einbruch selbst habe er nichts zu tun. Da müsste er schon einen sehr geduldigen Richter finden, um mit dieser Argumentation Erfolg zu haben.
Selbst der österreichische Bundespräsident Van der Bellen, dem jetzt wahrlich keine Äquidistanz zu beiden Konfliktparteien nachgesagt werden kann (er steht fest an der Seite Selenskys), sagte am 14. Februar 2023 vor diplomatischem Corps, Österreich sei militärisch neutral, aber: "Wir sind nicht neutral gegenüber dem eklatanten Bruch des Völkerrechts und gegenüber Kriegsverbrechen". Also moralisch auf Seiten der Ukraine.
Laut meiner bescheidenen Meinung verstößt Karl Nehammer mit seiner Mitwirkung an Beschlüssen zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte selbst gegen die Van der Bellensche Mindestdefinition der Neutralität. Ganz zu schweigen von der Lieferung von Ausrüstung und Material zur Unterstützung der ukrainischen Armee.
Ich habe daher von Bundeskanzler Karl Nehammer und EU Ratspräsident Charles Michel die Übermittlung der Abstimmungsprotokolle angefordert, um das Abstimmungsverhalten der österreichischen Ratsmitglieder nachvollziehen zu können. Wobei, ein Veto steht schon jetzt außer Frage, sonst hätte es die Beschlüsse nicht gegeben.
Auch meine Anfrage an den Verfassungsgerichtshof habe ich präzisiert und nachgeschärft.
Es geht hier übrigens nicht um die Frage, ob man auf Seiten der Ukraine steht oder neutral ist. Es geht nur um die Frage, ob die österreichische Bundesregierung die österreichische Verfassung gebrochen hat und den Straftatbestand des Landesverrates erfüllt. Das ist in meinen Augen keine triviale Frage.
Denn sollte die Regierung den Wunsch haben, die Verfassung oder Gesetze zu ändern, besteht jederzeit die Möglichkeit, dies mit einer Verfassungsmehrheit zu tun. Oder eine Volksabstimmung zur Änderung der Verfassung abzuhalten.
Was nicht geht, ist das stillschweigende Ignorieren geltenden Rechts.
Mitglieder des EU Rates
https://www.consilium.europa.eu/de/european-council/members/
GASP
https://www.bmeia.gv.at/themen/europapolitik/eu-aussenpolitik/gasp/
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